Über passiv-aggressives Verhalten und den Umgang damit

 

Hast Du als Führungskraft Mitarbeiter, die immer wieder „ganz echt“ und „echt erstaunt“ reagieren, wenn Du sie nach einer Aufgabe fragst, „oh, das habe ich ganz vergessen!“. Du wartest auf etwas „oh vergessen“. Jemand will Dich anrufen „oh gar nicht dazu gekommen“. Es geht also um Ausreden. Oder ist so Deine Kollegin im Team, das Projektgruppenmitglied oder sogar in der Familie, im Freundes-/Bekanntenkreis oder im Verein?

Menschen vergessen etwas, und Du ärgerst Dich vielleicht kurz oder hast ein ungutes Bauchgefühl, aber schlussendlich kannst Du nicht böse sein. Denn, etwas vergessen, das haben wir doch alle schon, oder? Kommt es wiederholt vor, ja gut, wir haben einfach viel zu tun, vergessen ist ja menschlich. Oder?

Es kann auch darum gehen, dass Du jemandem etwas ausgeliehen hast, vielleicht Geld oder ein Buch – die Rückgabe wird immer wieder vergessen, verzögert, trotz mehrfacher Nachfrage Deinerseits. Oder ein Termin, eine Verabredung, eine Vereinbarung wird wiederholt nicht eingehalten. Das kann auch „einfach nur“ Unzuverlässigkeit sein – oder eben passiv-aggressives Verhalten.

Es gibt, das kennst Du vielleicht, den „ICD10“ – das ist die „Diagnosebibel“ der Psychotherapeuten. Dort gibt es aufgeführt die „Passiv-aggressive (negativistische) Persönlichkeitsstörung“. Halt, Achtung, ich bleibe in diesem Artikel bei Führung und dem normalen Alltag, also im nicht-pathologischen Bereich, wir gehen NICHT von einer Persönlichkeitsstörung und somit einer psychischen Erkrankung aus! 

Jedoch das Verhalten dieser Personen, das fand ich hochgradig interessant für den ganz normalen Alltag. Wenn Du Personen kennst, auf die das Verhalten zutrifft, sind sie noch lange nicht psychisch krank, dafür bräuchten sie noch die umfassenden Kriterien einer Persönlichkeitsstörung. Aber es handelt sich zumindest um Menschen mit passiv-aggressivem Verhalten. Das ist wichtig zu wissen, damit Du das einsortieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen kannst.

 

Die Kriterien sind

 

  • „Verzögerung und Verschleppung bei der Beendigung grundlegender Routineaufgaben, vor allem derjenigen, die Andere fertiggestellt haben wollen
  • Ungerechtfertigter Protest gegen gerechtfertigte Forderungen Anderer
  • Trotz, Reizbarkeit oder Streitlust, wenn die Betroffenen gebeten werden, etwas zu tun, was sie nicht wollen
  • Ungerechtfertigte Kritik an oder Verachtung für Autoritätspersonen
  • Absichtlich langsame oder schlechte Arbeit an unliebsamen Aufgaben
  • Behinderung von Bemühungen Anderer, dadurch dass der eigene Anteil an der Arbeit nicht geleistet wird
  • Vermeidung von Verpflichtungen durch die Behauptung, sie vergessen zu haben“

(ICD10 F60.81/B 1.-7.)

 

Die Menschen, die dieses Verhalten zeigen, sind also passiv-aggressiv, eine offene Aggressivität sieht man an ihnen ganz selten. Es sind oft „leisere“ Menschen, wirken „nett“ und „normal“, oft weiß man auch, dass sie es nicht so ganz leicht haben, sie sind oft nicht wirklich frei und unbeschwert.

 

Ursachen

Die Ursachen sind vielfältig. In der Regel bestanden in der Kindheit massive gefühlte und echte Konflikte mit Autoritätspersonen, den Eltern, älteren Geschwistern, denen man sich ohnmächtig ausgeliefert fühlte, häufig Dinge machen musste, die einem nicht gefielen und einem das massiv gegen den Strich ging. Man lernte, wie man den Strafen entkommen konnte, nämlich durch passives Verhalten, durch Ausreden, durch sich selbst „unschuldig“ darstellend, „ganz aus Versehen“, dabei war es volle Absicht.

 

Diese Konflikte gingen massiv auf den Selbstwert, aufs Ego, und wurden verdrängt und nicht gelöst. Den Betroffenen ist oft ihr Verhalten selbst nicht bewusst. Da das Verhalten auch Andere sabotiert und belastet, ist das Gefühl „Wut“ mit dabei, und oft auch ein „Rachegedanke“. Das mal in Kürze, man muss natürlich jeweils im Einzelfall genau hinschauen, und die individuell zutreffenden Ursachen finden. Auch hier, wie bei jedem „schwierigen“ Verhalten, ist die Wurzel ein großer Schmerz und daher absolut empathiewürdig.

 

Wirkung

Die Strafe bleibt aus. Man bleibt im gewohnten Verhaltensmuster, bei der Strategie, die sich einst bewährt hatte und genießt dadurch im Stillen, oft unbewusst, die Macht, die man über Andere ausübt, genießt den Schaden, den sie empfinden, als bittere Genugtuung „mir ging es so, so geht es Dir nicht besser“ und „dadurch, dass es Dir gerade schlecht geht, geht es mir besser“.

Bei den Adressaten löst das Verhalten Irritation aus, ein schwer zu greifendes Gefühl, wenn es sich wiederholt, Ärger, Wut und ausgeliefert Sein, bei gleichzeitig gefühlten inneren Konflikten, weil man Verständnis aufbringen möchte für normal-menschliches Verhalten. In der Mitarbeiterführung sind das die Mitarbeiter, die ihre Vorgesetzten beschäftigen. Sie ziehen Aufwand, sie kosten Kraft. In dem Moment, in dem man selbst aggressiv reagiert (selbst wenn man „nur“ so empfindet und dies dem Anderen nicht zeigt), hat man an das Spiel angebissen und agiert aus, was eigentlich zum Anderen gehört. Der Andere schaut zu, wie Du Dich ärgerst, und damit seine Gefühle zeigst. Man wurde also zum emotionalen Gehilfen, emotional benutzt. Der Vorgang ist mit höchster Wahrscheinlichkeit unbewusst und keine böse Absicht. Die Energie jedoch fließt Dir ab.

 

Umgang

Umgang bei sich selbst

Wenn man so ein Verhalten je selbst an sich bemerkt, empfehle ich professionelle Hilfe. Das lohnt sich. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist eher gering, es sei denn, man erhält durch sein Verhalten massiven Gegenwind, was aber eher selten ist. So hatte ich noch nie jemanden im Coaching mit passiv-aggressivem Verhalten und dem Wunsch, dieses anzugehen.

 

Umgang als Vorgesetzter

 

  • GENAU hinschauen und hinspüren. Hat ein Mitarbeiter wirklich etwas vergessen, oder hat es Strategie. Handelt es sich um ein echtes Versehen, das dem Mitarbeiter leidtut, oder um ein gespieltes Versehen.
  • Mache Dir bewusst, dass Du in einen Autoritäts- und Machtkonflikt geraten bist. Hinterfrage Dich hier selbstkritisch, oft hat es mit dem eigenen Resonanzfeld zu tun. In dem Fall löse etwaige eigene Themen auf. Unterscheide jedoch klar Deinen Anteil von dem des Anderen. Es kann auch ausschließlich mit dem Anderen zu tun haben, insbesondere im beruflichen Bereich.
  • Handle aus dem Erwachsenen-Ich sachlich und rational, benenne klar den Sachverhalt, lass Dich nicht beirren „ja, jeder vergisst mal etwas, und gleichzeitig ist es wichtig dass…..bitte beim nächsten Mal einhalten“ und das Committment abholen „kann ich mich auf Sie verlassen“ und bleibe konsequent, d.h. lasse das Verhalten nicht mehr durchgehen.
  • Achte darauf, dass Du nicht in „Autoritätsmodus“ verfällst, Dich also nicht durch das kindliche Verhalten des Anderen ins kritische Eltern-Ich drücken lässt, sondern erwachsen-rational und emotional neutral bleibst. So merkt das Gegenüber, dass es bei Dir mit seinem Verhalten nichts ausrichten kann und wird sich einen anderen Spielpartner suchen. Wenn der Mitarbeiter durch sein Verhalten großen Schaden anrichtet, auch im Team, ist sogar eine Abmahnung oder Versetzung/Freisetzung eine Option. Klingt hart? Ja einerseits, andererseits wahrt es die Interessen des Teams, der Führungskraft und der Aufgaben, die gemeinsam im Team erledigt werden müssen.
  • Bis dahin ist jedoch ein Weg, an erster Stelle steht immer das Gespräch. Im Normalfall empfehle ich, wenn es sich um ein psychologisches Spiel handelt, dieses aufzudecken. In dem Fall wirst Du aber auf eine große Abwehrmauer stoßen. Lass Dich nicht vom Leugnen beirren, wenn Du das Verhalten genau und treffsicher beobachtet und analysiert hast. Zieh Dir nicht immer wieder aufs Neue falsche Schuhe an. In dem Gespräch wird das Verhalten benannt, zum Reflektieren angeregt, das gelingt oft sehr gut über Fragen „was glauben Sie, was Ihr Verhalten bewirkt“. Nach Erkenntnis und dem Wunsch nach Besserung werden gemeinsam praktikable Lösungen vereinbart. Wenn es sich um einen im Grunde aufgeschlossenen Menschen handelt, wirst Du damit besten Erfolg haben!

 

 

Umgang im Privatbereich

 

Wie oben beim Vorgesetzten auch, mit dem einen Unterschied, dass es privat meist andere Themen sind, und auch keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen möglich. Also, hinschauen und hinspüren. Das Verhalten genau analysieren, bei sich, beim Anderen. Das Gespräch suchen, klare Konsequenzen ziehen, bis hin zum Rückzug aus dem Kontakt, wenn keine Einsicht da ist geschweige denn eine Veränderung im Verhalten. Beim Anderen belassen, was zu ihm gehört.

 

 

Fazit

Auch bei diesem Verhalten handelt es sich, wie eingangs erwähnt, um ein Verhalten, das schwierige Gefühle wie innere Schmerzen und Selbstwertverletzungen als Ursache hat. Es hat somit Empathie verdient. Dennoch ist Ausgewogenheit erst dann gegeben, wenn auch Empathie für dessen Adressaten gelebt wird. Jeder Mensch möge Verantwortung für seine Gefühle übernehmen, und Du brauchst nicht auszubaden, was jemand Anderes fühlt.

 

© Regina Hochmuth

 

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